Regensburg/Darmstadt,
06. März 2006 (orv) – Anlässlich der Deutschen
Crosslaufmeisterschaften wollten wir die Sicht der Dinge
in Sachen Lauf auch von einem wissen, der momentan direkt
in der Verantwortung steht. Detlef Uhlemann wurde vor
einiger Zeit speziell für die Belebung des Crosslaufes
ins DLV-Schiff geholt und ist jetzt auch für den
gesamten Langstreckenbereich zuständig. Wir stellten
ihm in etwa die gleichen Fragen wie dem Ex-Teamchef Lothar
Hirsch. Beide kommen zu ähnlichen Aussagen.
Ring: Welchen Stellenwert hat bei Ihnen
der Crosslauf bei der läuferischen Leistungsentwicklung?
Uhlemann: Ich halte den Crosslauf für
die Leistungsentwicklung unserer Langstreckler, und nicht
nur für diese, auch Mittelstreckler sollten sich
dieser Herausforderung stellen, für unverzichtbar.
Wer es lernt, sich unter den schwierigen Bedingungen eines
Crosslaufes durchzusetzen, wird davon auch auf der Bahn
oder Straße profitieren. Alle erfolgreichen Laufnationen
machen es uns vor und auch ein Blick zurück bei uns
bietet entsprechende Ansätze.
Ring: Sie selbst waren Ende der 70iger
Jahre einmal Dritter der Cross-WM. Sehen Sie für
deutsche Läufer/Innen angesichts der immer größer
werdenden Stärke der afrikanischen Läufer/Innen
noch jemals Chancen, solche Erfolge wiederholen zu können?
Uhlemann: Das wird natürlich angesichts
der afrikanischen Dominanz immer schwieriger und ist derzeit
für uns in unerreichbarer Ferne. Aber beim Cross
ist nicht primär das Ergebnis zu sehen, sondern dass
man ihn ernsthaft betreibt ohne ihn überzubewerten.
Ring: Herr Uhlemann, beim diesjährigen
Wintertrainingslager in Spanien durfte ich Sie als "glücklichen"
Bundestrainer erleben, weil erstmals seit langen Jahren
wieder ein Großteil der deutschen Laufelite zum
gleichen Zeitpunkt an den gleichen Ort angereist war.
Schätzen Sie dies als Zeichen ein, dass der deutsche
Lauf in Richtung Großziele wieder an einem Strang
ziehen will?
Uhlemann: Das kann man durchaus so bewerten.
Ich war mir im Vorfeld dieser Trainingsmaßnahme
keineswegs sicher. Umso mehr freue ich mich darüber,
dass sie durch unsere besten Athletinnen und Athleten
so positiv angenommen wurde.
Ring: Es ist bekannt, dass Sie als
Fernziel die Entsendung kompletter deutscher Mannschaften
zur Cross-WM betrachten. Wie stehen dazu die Chancen angesichts
der sehr speziellen Saisonplanungen der besten deutschen
Läufer/Innen?
Uhlemann:
Ich muss zugeben, dass ich mir das etwas leichter vorgestellt
hatte. Die Bereitschaft, komplette Mannschaften zu entsenden,
liegt seitens des Verbandes vor. Leider ist es mir nicht
gelungen, unsere besten Athleten schon in diesem Jahr
für dieses Ziel zu gewinnen. Ich werde aber für
die Zukunft weiter daran arbeiten. Ganz offensichtlich
ist da von meiner Seite mehr Geduld gefordert.
Ring: Skilangläufer, Biathleten
und auch der Eisschnelllauf glänzte bei den Olympischen
Spielen mit einem Medaillenregen. Viele Experten führen
dies auf die zentrale Steuerung der jeweiligen Nationalkader
durch den Bundestrainer zurück. Die stärksten
Athleten/Innen trainieren unter professionellen Gesichtspunkten
in wenigen Stützpunkten miteinander.Halten Sie das
auch im deutschen Lauf für erfolgsversprechend?
Uhlemann: Ich glaube nicht, dass wir
die Situation im Wintersport auf unsere Langstreckenszene
übertragen können. Trotzdem machen wir uns natürlich
Gedanken, in wie weit wir erfolgreiche Modelle auf uns
übertragen können.
Ring: Wie viel Erfolgsaussichten geben
Sie einem neuen System, auch vom ehemaligen DLV-Präsidenten
Professor Digel favorisiert, alle "Macht" den
Heimsystemen zukommen zulassen und als Bundestrainer nur
noch koordinierend zu arbeiten?
Uhlemann: Grundsätzlich halte ich
alle Ansätze, wie wir aus unserem aktuellen Leistungstief,
gemessen am Weltmaßstab, vor allem auf der Langstrecke
der Männer herauskommen, für überdenkenswert.
Ich halte allerdings nichts davon, dabei gleich das Kind
mit dem Bade auszuschütten und nun gleich alles Aktuelle
in Frage zu stellen, da ja bekanntlich "viele Wege
nach Rom führen". Ohne dass mir allerdings jemand
dieses System vorgestellt oder gar vorgeschrieben hätte,
arbeite ich übrigens schon seit meiner Ernennung
zum Disziplintrainer danach.
Ring: Sehen Sie im deutschen Langstreckenbereich
Fortschritte seit den Athener Spielen und wenn ja, welche?
Uhlemann: Die vorher angesprochene Bereitschaft
zur Zusammenarbeit sehe ich beispielsweise als solchen.
Im Übrigen schauen wir nicht zurück sondern
orientieren uns an zukünftigen Höhepunkten,
sprich an Göteborg. Dort wollen wir auch bei den
Männern wieder präsent sein. Und dann schauen
wir mal weiter.
Ring:
Danke für das Gespräch.
Foto: Detlef Uhlemann
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