Von Lothar Pöhlitz*
Endlich der große Hindernis-Sprung. Zum aktuellen Weltrekord sind es nun nur noch 10 Sekunden. Scheint nah, in Toprennen aber noch fast die ganze Zielgerade. Dabei wissen alle das Weltrekordler zu den „Außerge-wöhnlichen“ gehören, die „top-geerbt“ haben, willensstark sind und sehr früh sehr viel Zeit auf einem „Sportplatz“ verbrachten. Erfreulich ist zugleich, dass die Leistungsdichte in der Welt um 8 Minuten nicht so hoch ist wie in den 1500m oder 5000m Bestenlisten. Und wir haben ja auch noch Karl Bebendorf mit neuer 2000m-Hindernisbestzeit, Velten Schneider und bei den Frauen Gesa Krause, Lea Meyer und Olivia Gürth fürs Weltniveau.
Hindernisspitzenleistungen basieren auf einer hohen Leistungsfähigkeit über 3000m (Jugend) / 5000m und 1500m, müssen deshalb sowohl nach den Prinzipien des Mittelstrecken- als auch des Langstreckentrainings vorbereitet werden.
Auf geht´s. Eine 35malige Unterbrechung eines normalen Laufrhythmus innerhalb eines schnellen, oft dichtgedrängten 3000m Hindernisrennens, erfordert Hi-Rhythmustraining, ein überdurchschnittliches Niveau der konditionellen Fähigkeiten, eine optimale Technik, bei der die Hindernisse nur wenig stören.
Hindernis-Spitzenleistungen basieren auf einer hohen Leistungsfähigkeit über 15km – 5000m und 1500m und müssen deshalb sowohl nach den Prinzipien des Mittelstrecken- als auch des Langstreckentrainings vorbereitet werden. Der Geschwindigkeit im disziplinspezifischen Training (95-105% vom RT) muss dabei eine besondere Aufmerksamkeit gelten.
Traut Euch - wer die 5000 m in 15:00 Minuten schafft muss über 3000m Hindernis die 9:00 Minuten unterbieten wollen, bei 14:00 Minuten ist man schon bei 8:25 Minuten, international braucht man über 5000m um 13:20 um bei 8:00 Minuten anzukommen.
Männer, die über die Hindernisse mit 8:00 Minuten ihre Konkur-renzfähigkeit in Rennen anstreben, müssen 13:15-13:20 Minuten über 5000m, 3000m um 7:35 und 1500m um 3:36 Minuten können. Frauen brauchen für 9 Minuten um 15:00 / 8:35 und 4:05 Minuten.
Die konkreten Anforderungen der Hindernisstrecke werden verbessert, wenn die Energiegewinnungssysteme mit denen der schnellen Flachstrecken, sowohl über 5000m als auch über 1500 / 3000 m übereinstimmen. Dies wiederum setzt Trainingsumfänge und Geschwindigkeiten voraus, wie sie bei den kurzen Langstrecklern üblich sind.
Unbestritten ist, dass sich Talente – unabhängig von einer Konstitutions-Idealfigur - in einer Gruppe gleichstarker schneller entwickeln als in einem „Solo-Training“ gegen Schwächere. Die Weltklasse im Hindernislauf zeigte in der Vergangenheit, dass es bei Männern und Frauen den körperlichen Idealtyp nicht gibt, auch wenn lange Beine mit schlanken Muskeln scheinbar ein Vorteil sind.
Junge Hindernisläufer müssen Ausdauer, Fuß-Kraft, Tempo, Technik und Leidenschaft kombinieren und am besten über 1500m und 5000m konkurrenzfähig sein wollen.
Im Training der Hindernis-Unterdistanzen helfen schnellere Partner, sogenannte „Pacemaker-Spezialisten“ für entsprechende immer längere Programme, die am besten neben den Hindernisläufern „flach“ laufen.
Das bedeutet für zukünftige Hindernis-Talente im Vergleich zu den letzten Jahren sowohl die Dauerläufe / Fahrtspiele als auch die Tempoläufe / Intervalle schneller zu absolvieren, ab dem Nachwuchsleistungstraining immer öfter auch im Höhentraining.
3000m Hindernis – wenn der Nachwuchs der Spitze folgen will
8:20 | 1500m | < 3:45 | 3000m | < 7:55 | 5000m | < 13:45 |
8:15 | < 3:38 | < 7:50 | < 13:35 | |||
8:10 | < 3:36 | < 7:45 | < 13:25 |
Innerhalb des hindernisspezifischen Trainings in der VP II kommt der Ausprägung der Ökonomie in der Rhythmusfähigkeit (Hindernis- und Grabenüberquerungen ohne Geschwindigkeitsverlust und ohne zu Trippeln) eine besondere Bedeutung zu. Dafür ist die Bewegungsvorausnahme in der Annäherung an die Hindernisse ohne Geschwindigkeitsverlust wichtig und am besten separat (Laufschleifen über Hindernisse auf den Rasen) zu schulen.
Dem letzten Hindernis vor dem Ziel kommt oft eine Schlüsselrolle zu (Sturz). Auch da hilft „trainieren“, am besten in gesteigerter Geschwindigkeit im Pulk. Erst wenn eines Tages die Hindernisse kaum mehr stören ist man der Perfektion nahe.
Männer, die über die Hindernisse 8:00 Minuten anstreben, müssen 13:15-13:20 Minuten über 5000 m, 3000 m um 7:35 / 8:35 und 1500 m um 3:36-38´ können.
Hindernis - Dauerlauf - Hindernis - Fahrtspiele - Hindernis-Intervalle
Eine wichtige Funktion in Vorbereitung auf hindernisspezifische Trainingseinheiten haben der kurze Hindernis-Dauerlauf, Hindernis-Tempowechsel und Hindernis-Intervalle, bei den Junioren und Juniorinnen bis etwa 4 km und für Männer und Frauen über 6 km mit 5 Hürden / besser Hindernissen pro Runde.
Aufgaben zur schnelleren Hindernisleistungsentwicklung:
* Erhöhung der Qualität des aeroben Basis - Trainings (aerobe Schwelle – vL3) und der VO2max
* Erhöhung des Trainingsumfangs in Anlehnung an den Langstreckenlauf (5000 m) zunehmend von 130 160 km / Woche = 6000 - 7500 m / Jahr
* Qualitativ hochwertige TE, die die entsprechenden Flachleistungen über 5000 und 1500 m ausbilden
* Verbesserung der Belastbarkeit und des Vortriebs durch allgemeine und spezielle Kraftfähigkeiten, Sprungkrafttraining und der Beweglichkeit / Flexibilität zur Ökonomisierung der Hindernisüberquerung (Hindernistechnik).
* Wegen der großen Verletzungs- und Stauchungsgefahr und einem höchsten geringen Vorteil wird von einer zu frühen freien Überquerung des Wassergrabens (ohne Aufsetzen des Fußes auf den Balken) abgeraten.
* Systematischer Geschwindigkeitsaufbau bis zur Leistungszielgeschwindigkeit – bei Sicherung eines steigenden vorbereitenden speziellen Umfangs im Hindernistempotraining, im TL 2 mittel-lang zwischen 85-95 % vom RT. bei gleichzeitiger Steigerung der Anforderungen im Unterdistanztraining (> 105 % v. RT), sowie der Schnelligkeitsausdauer für die Flachstrecken
* Die Hindernisleistung wird letztendlich bestimmt vom individuell möglichen Umfang des hindernisspezifischen Trainings im Geschwindigkeitsbereich zwischen > 93 – 105 % von der Leistungszielgeschwindigkeit und der 5000 m Leistungsfähigkeit
* Zielgerichtete Nutzung von Aufbauwettkämpfen (auch im Winter geschwindigkeitsausgerichtet -> anaerob in der Hallensaison / aerob-anspruchsvoll auf der Straße)
* Höhentraining mit Langstrecklern, um ein 13 Minuten-Ziel zu verfolgen (Höhenketten im Bereich um 2400 m Höhe)
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*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 18 Jahre - 1980-1998 DLV-Bundestrainer Mittelstrecke – Langstrecke – Marathon / 3x Olympiatrainer für Deutschland 1984 in Los Angeles, 1988 in Seoul und 1996 in Atlanta